In der berühmten Kindergeschichte von James M. Barrie beschließt die Hauptfigur Peter Pan, nicht erwachsen zu werden. Der Begriff "Peter Pan-Syndrom" wurde von dem Familientherapeuten Dan Kiley Anfang der 1980er Jahre geprägt. Er umschreibt eine Spezies Mann, die ewig jung bleiben, nicht erwachsen werden möchte.
Dan Kiley hat sechs Kernpunkte herausgearbeitet, an denen er ein Peter-Pan-Syndrom festmacht: Verantwortungslosigkeit, Angst, Einsamkeit, sexueller Rollenkonflikt, Narzissmus und Chauvinismus.
Ein Mann mit Peter-Pan-Syndrom legt sich nicht gerne fest. Er schiebt Aufgaben auf, hofft, dass sie sich von selbst erledigen. Pflichten geht er aus dem Weg und Disziplin findet er spießig. Er pflegt lieber einen hedonistischen Lebensstil. Spaß steht für ihn ganz oben auf der Prioritätenliste.
Beziehungen von Peter-Pan-Männern sind häufig von Oberflächlichkeit und Bindungsangst gekennzeichnet. Sobald Verbindlichkeit gefragt ist oder die sexuelle Anziehung nachlässt, sucht er lieber das Weite. Machohaftes Verhalten ist bei ihm häufig sehr ausgeprägt, zusammen mit einer gehörigen Portion Selbstverliebtheit.
Wie jeder Mensch möchte freilich auch Peter Pan geliebt werden und sehnt sich nach Nähe, doch wirklich reif für eine Beziehung ist er nicht. Nicht zuletzt fürchtet er, wenn er sich wirklich einlässt, abgewiesen zu werden, denn sein Selbstvertrauen ist mehr oder weniger eine instabile Fassade, die nur nach außen glänzt. Außerdem würden Familie und Kinder ihm ein Maß an Verantwortung abfordern, dem er sich lieber nicht stellen möchte.
Auch echte Freundschaften mit einem Menschen mit Peter-Pan-Syndrom sind eher selten. Zwar ist meist ein großer Bekanntenkreis vorhanden, denn das Geltungsbedürfnis ist groß. Aber wirkliche Nähe entsteht bei diesen Kumpel-Beziehungen nicht. Häufig resultiert daraus eine tiefe emotionale Einsamkeit, die mit weiterer Ablenkung und neuem Vergnügen verdrängt werden soll.
Gelegentlich zeigt sich die angestrengte Jugendlichkeit eines Peter-Pan-Mannes auch in der Wahl seiner Kleidung: Er trägt auch mit Mitte 40 gerne noch die Band-T-Shirts, die er mit Anfang 20 getragen hat. Und während Altersgenossen sich längst ein Sakko und eine Aktentasche angeschafft haben, ist er noch immer im Kapuzenshirt und mit der Bodybag unterwegs.
Wie aus einem Jungen ein Mann wird, der gerne ein Junge bleiben möchte, ist psychologisch noch nicht eindeutig geklärt. Man vermutet, dass eine gestörte Vater-Sohn-Beziehung zu Grunde liegt. Wer sich als Kind von seinem Vater abgelehnt fühlte und wenig Selbstvertrauen in sich und seine Fähigkeiten entwickeln konnte, dem fällt es sicher schwerer, sich zu einem verantwortungsvollen Mann zu entwickeln, als jemand, der ein gutes männliches Vorbild hatte. Andererseits wachsen allerorten Jungen mit alleinerziehenden Müttern zu verantwortungsvollen Männern heran. Auch eine nicht gelungene Ablösung von der Mutter wird häufiger als Ursache genannt.
Schon Friedrich Nietzsche verriet: "Im echten Manne ist ein Kind versteckt; das will spielen." Tatsächlich erkennt sich wohl jeder Mann in dem einen oder anderen der oben genannten Punkte wieder. Die Grenzen zwischen einem Mann, der sich gelegentlich wie ein "Kindskopf" verhält und einem Mann mit Peter-Pan-Syndrom sind fließend. Obwohl es sich ursprünglich um einen populärwissenschaftlichen Begriff handelte, hat es das Peter-Pan-Syndrom inzwischen geschafft, in die Wissenschaft Einzug zu halten. Der amerikanische Wissenschaftler John J. Ratey zählt das Peter-Pan-Syndrom zu den sogenannten Schatten-Syndromen, einer milden Form der psychischen Störung.
aktualisiert am 18.02.2014