Wenn ein Mensch seinen Urin nicht oder nur unzureichend willentlich zurückhalten kann, so leidet er an einer Harninkontinenz. Diese auch Blasenschwäche genannten Beschwerden können zu einer psychischen, sozialen und körperlichen Belastung führen. Deshalb ist eine effektive Behandlung wichtig. Die Therapie der Harninkontinenz kann durch Medikamente, durch andere nicht operative oder durch operative Verfahren geschehen. Nicht selten erfolgen Operationen mit kleinem Zugangsweg, so genannte minimal-invasive Eingriffe. Außerdem sind einfache Hilfsmittel zu erwähnen (symptomatische Therapie, z. B. durch Vorlagen). Die Wahl der Behandlungsmethode hängt von den Beschwerden und Ursachen ab. Hierbei lassen sich unterschiedliche Formen der Harninkontinenz beschreiben, die der Arzt in seiner Diagnose feststellen muss.
Die Harninkontinenz, auch Blasenschwäche genannt, ist durch einen unkontrollierten Harnabgang gekennzeichnet. Nach der Definition ist es schon eine Inkontinenz, wenn nur ein Tropfen Urin unwillentlich austritt - bei manchen können es aber auch große Mengen sein. Die Problematik ist in der Bevölkerung recht häufig, schätzungsweise einer von zehn Männern und eine von vier Frauen sind von Blasenschwäche betroffen. Im Alter tritt die Inkontinenz besonders oft auf, sie kann aber auch bei jüngeren Menschen vorkommen. Doch viele Betroffene scheuen den Gang zum Arzt, weil es sich um ein sensibles, tabuisiertes Thema handelt. Dementsprechend können dann die körperlichen Symptome nicht angegangen werden, und es können seelische Probleme, Ängste und der soziale Rückzug von Betroffenen folgen. Um dies zu vermeiden, sollten sich Betroffene nicht scheuen, mit einem Arzt über die Problematik zu reden und gegebenenfalls Behandlungsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen.
Mehrere Arten von Inkontinenz können voneinander unterschieden werden. Ebenso können verschiedene Ursachen hinter der Blasenschwäche stecken. Anhand der Aussagen des Patienten und von gezielten Untersuchungen kann der Arzt die Formen voneinander unterscheiden. Die geeignete Therapie gestaltet sich dann nach der Ausprägungsform und Ursache der Harninkontinenz.
Die Belastungsinkontinenz wird auch Stressinkontinenz genannt. Sie wirkt sich aus, sobald auf den Harntrakt eine Belastung einwirken kann, häufig bei erhöhtem Druck im Bauchraum. Auslöser sind beispielsweise Husten oder schweres Heben. Aufgrund einer geschwächten Beckenboden-Muskulatur ist der Verschluss der Harnröhre unterhalb der Blase zu schlaff und Urin kann hindurchtreten. Diese Beckenbodenschwächung kann unter anderem durch vorangegangene Geburten, aber auch durch weitere Einflüsse verursacht werden.
Eine Dranginkontinenz resultiert aus einer überaktiven oder besonders empfindlichen Blase. Der Muskel in der Harnblasenwand (Detrusor) zieht sich vermehrt zusammen. Es kommt unvermittelt zu starkem Harndrang, so dass die Patienten oft das Wasserlassen nicht lange genug aufhalten können. Üblicherweise ist trotz des Drangs aber gar kein großes Volumen an Urin in der Blase. Solche Beschwerden mit plötzlichem Harndrang und eventueller Blasenschwäche werden oft auch Reizblase genannt.
Nicht selten zeigt sich eine Kombination aus der Belastungs- und der Dranginkontinenz: die Mischinkontinenz.
Die Überlaufinkontinenz ist schon mit ihrem Namen recht treffend beschrieben, denn hier findet sich ein Abflusshindernis unterhalb der Blase. Das kann ein verkrampfter Blasenschließmuskel sein, eine vergrößerte Prostata oder eine andere Verengung oder Verlegung der Harnröhre. Der Harnverhalt führt zu einer starken Füllung der Blase, bis sie regelrecht überläuft und der Harn dann unwillkürlich durch das Hindernis dringt. Typisch ist es, wenn immer nur wenige Tropfen abgehen.
Eine Reflexinkontinenz liegt bei einer Schädigung von Nerven vor wie beispielsweise bei einer Querschnittlähmung. Da der Schließmuskel der Harnblase nicht mehr genügend Nervenimpulse bekommt, kann ungehindert Harn abgehen. Üblicherweise verspürt der Reflexinkontinenz-Patient keinen Harndrang.
Fisteln sind unnatürliche Verbindungsgänge im Körper, beispielsweise zwischen der Blase und der Scheide, dem Enddarm oder gar dem Bauchnabel. Sie treten aber sehr selten auf. Über die Fisteln kann Harn ungewollt nach außen dringen.
Vor der Wahl einer Behandlungsmethode muss die Art und Ursache der Inkontinenz festgestellt werden. Das geschieht in einer gezielten Diagnostik durch den Arzt, die mit einer gründlichen Befragung des Patienten (Anamnese) beginnt. Diese liefert oft schon Hinweise auf eine bestimmte Form der Inkontinenz. Das Führen eines Tagebuchs über das Wasserlassen und den Harnabgang kann sinnvoll sein. Es erfolgt eine körperliche Untersuchung, bei der der Arzt unter anderem auf eine Beckenbodenschwäche beziehungsweise Lageveränderung der Organe achtet. In bildgebenden Verfahren wie Ultraschall oder Röntgen können bestimmte Veränderungen dargestellt werden. Eine Blasendruckmessung (urodynamische Untersuchung) kann ebenso wie eine Urin-Analyse oder eine Blasenspiegelung aufschlussreich sein.
Da sich die Krankheitsbilder und Ursachen voneinander unterscheiden, gibt es eine Fülle von möglichen Behandlungsformen der Inkontinenz. Zum Einsatz kommen nicht operative Maßnahmen, Medikamente oder Operationen. Um den Urin abzufangen, können Hilfsmittel angewendet werden.
Zu den einfachen Maßnahmen, eine Inkontinenz zu behandeln, gehört das Toilettentraining (Kontinenztraining). Der Patient soll erlernen, seine Blase besser zu kontrollieren. Das Toilettentraining kann beinhalten, dass der Patient in regelmäßigen Abständen oder zu festgelegten Zeiten Wasser lässt und zwischendrin versucht, trocken zu bleiben. Soll der Patient dabei selbstständig die Toilette aufsuchen, dann handelt es sich um ein Blasentraining.
Ein Beckenbodentraining ist eine andere Methode, die bei Frauen mit Belastungsinkontinenz angebracht ist und auch schon zur Vorbeugung durchgeführt werden kann. Durch eine spezielle Gymnastik wird erzielt, dass die Beckenbodenmuskeln und damit auch der Blasenschließmuskel stärker werden.
Bei einigen Patienten mit Inkontinenz kann Biofeedback eingesetzt werden. Biofeedback bedeutet, dass Patienten über Messgeräte eine Rückmeldung des Zustands ihres eigenen Körpers bekommen. Das kann z. B. die Muskelaktivität im Beckenboden sein, weshalb es auch in Kombination mit dem Beckenbodentraining angewendet wird. Mit Hilfe von Biofeedback können Patienten ihren Körper selbst besser steuern.
Elektrostimulation ist eine weitere Therapie, die in diese Richtung geht. Diese nutzt Elektroden, über die ein elektrischer Strom an die Beckenbodenmuskulatur geleitet wird, damit sie sich zusammenziehen. Die Elektrostimulation kann bei Frauen zum Einsatz kommen, die keine Beckenbodenübungen durchführen können.
Medikamente können bei der Dranginkontinenz und bei einer Belastungsinkontinenz verabreicht werden. Die Dranginkontinenz lässt sich mit Mitteln aus der Gruppe der Anticholinergika behandeln. Diese wirken der Kontraktion (Zusammenziehen) der Harnblasenmuskulatur entgegen und verringern damit die Blasenkrämpfe. Bei der Belastungsinkontinenz von Frauen kann das Mittel Duloxetin gegeben werden, das sonst zu den Antidepressiva gezählt wird. Des Weiteren können bei verschiedenen Formen der Blasenschwäche pflanzliche Medikamente gegeben werden.
Bei den Operationen zur Behandlung der Blasenschwäche herrschen die minimal-invasiven Eingriffe vor. Diese werden auch Schlüsselloch-Chirurgie genannt und erfolgen durch einen kleinen Zugangsweg statt über einen größeren Schnitt. Teils erfolgen sie in Allgemeinnarkose, teils in einer Regionalanästhesie (Betäubung eines bestimmten Körperbereiches).
Eine Möglichkeit bieten die Schlingen-Operationen. Mit Bändern aus Kunststoff wird das Gewebe gestrafft. Die Methoden umfassen TVT (tension-free vaginal tape = spannungsfreies Band für die Scheide), TOT (trans-obturatorisches Tape, Band wird durch die Hüftlöcher des Beckens geführt) oder das Advance-Band beim Mann (nach Prostataentfernung, das Band übt einen Zug auf den Schließmuskel aus). Die Schlingen (Inkontinenzbänder) werden meist in einer minimal-invasiven Operation eingearbeitet.
Bei Frauen kann die Operationstechnik der Kolposuspension vorgenommen werden. Der Blasenhals und der blasennahe Anteil der Harnröhre beziehungsweise die Vorderwand der Scheide werden dabei nach oben gezogen und befestigt. Das kann mit Bändern oder lediglich mit Nähten geschehen. Meist werden sie innen am Bauchwandgewebe über dem Schambein oder an den dortigen Muskeln befestigt. Eine Nadelsuspension funktioniert auf ähnliche Weise mit nadelartigen Instrumenten.
Bisweilen kommen andere Operationstechniken zum Einsatz, um die Inkontinenz zu behandeln. Manchmal kann die Injektion eines so genannten Depots einer bestimmten Substanz sinnvoll sein, um den Schließmuskel zu verstärken. Bisweilen eignet sich ein komplett künstlicher Schließmuskel (artifizieller Sphinkter), der einoperiert wird.
Wenn eine organische Ursache die Blasenschwäche bedingt, z. B. eine Prostatavergrößerung, so wird diese gezielt behandelt. Bei erfolgreicher Behandlung verschwindet meist auch die Inkontinenz. Die Prostatavergrößerung (benigne Prostata-Hyperplasie, BPH) kann unter anderem durch Medikamente oder durch spezielle Operationen therapiert werden. Eine häufige Operation bei der Vergrößerung ist die TUR-P (transurethrale Resektion der Prostata, Entfernung von Prostatagewebe über eine Spiegelung der Harnblase und Harnröhre).
Da die Inkontinenz ein häufiges Problem ist, wurden vielerlei Hilfsmittel entwickelt, um Betroffenen den Alltag zu erleichtern. Wohl am meisten genutzt werden Vorlagen oder auch Windeln. Beide bestehen aus einer inneren saugfähigen und einer äußeren wasserdichten Schicht, um abgehenden Urin aufzufangen. Vorlagen und Slipeinlagen sitzen fest, wenn eine Unterhose oder Netzhose übergezogen wird. Windeln lassen sich selbst wie Unterwäsche tragen. Außerdem gibt es Badebekleidung für Menschen mit Blasenschwäche. In der Nacht kann ein Bettschutz verwendet werden, der über das Bettlaken gelegt wird. Auch der Bettschutz besteht aus einer aufsaugenden Schicht und einer undurchdringlichen Kunststoffschicht.
Besondere Hilfsmittel verhindern direkt an oder in der Harnröhrenöffnung ein ungewolltes Austreten von Flüssigkeit. Einige Möglichkeiten sind das Pessar (Kunststoffteil für die Scheide), Harnröhren-Plugs (Stopfen für die Harnröhre), Tropfenfänger und Kondom-Urinale (werden beide werden über den Penis gestülpt) sowie der Urinkatheter mit Auffangbeutel.
Da es so viele Behandlungsmethoden der Blasenschwäche gibt, sind auch die möglichen Komplikationen sehr unterschiedlich. Bei den Medikamenten kann es zu einigen Nebenwirkungen kommen. Die Operationen können zu Komplikationen wie Gewebeschäden, Blutungen, Infektionen oder Vernarbungen führen.
Nicht auszuschließen ist ein Harnverhalt oder eine weitere Verschlechterung der Inkontinenz. Trainingsmethoden und einfache Maßnahmen sind weitgehend frei von möglichen Komplikationen, Probleme gibt es hier nur sehr selten.
Für die Blasenschwäche (Harninkontinenz) gibt es ein großes Spektrum an Möglichkeiten. In aller Regel können die Symptome verbessert werden oder der unwillkürliche Harnabgang komplett gestoppt werden. In anderen Fällen ermöglichen die Hilfsmittel zumindest einen weitgehend normalen Alltag. Wichtig ist es, dass sich Betroffene trotz des Tabu-Themas nicht scheuen, zu einem Arzt zu gehen.
Letzte Aktualisierung am 09.03.2021.